rh. Das Asylbewerberdrama in der Münchner Innenstadt ist beendet, aber die Irritation über den Versuch, Asylsuchende für politische Zwecke zu instrumentalisieren, bleibt. Der Versuch ist gescheitert, nicht zuletzt, weil der Münchner Oberbürgermeister den sich rapide verschlechternden Gesundheitszustand der hungerstreikenden Asylbewerber höher bewertet hat, als die Unerbittlichkeit, mit der deren Sprecher – oder selbst ernannte Anführer? – Ashkan Khorasani den Hunger- und Flüssigkeitsstreik der an die 50 Zeltbewohner bis zum bitteren Ende durchführen wollte. Bitteres Ende wohlgemerkt für die armen Asylbewerber, nicht für ihn selbst. Hungern – das machten die anderen. Für ihn? Das ist die große Frage. Vor sie gestellt sahen sich wohl auch die hochrangigen Vermittler, Hans-Jochen Vogel und Alois Glück. Sie waren von der Stadt München und dem Land Bayern bestellt und versuchten, einen gütigen Ausweg aus der Lage am Rindermarkt zu finden. Erfolglos. Was für jemanden, der beider Persönlichkeiten sensibles Herangehen an schwierige politische Aufgaben kennt, sehr ungewöhnlich erscheinen muss.
Wer ist Ashkan Khorasani? Laut „Süddeutsche“ lebt er in Berlin, ist vor drei Jahren zu Fuß über die Berge in die Türkei geflüchtet und wurde in Deutschland als politisch Verfolgter anerkannt. „Er kommt aus der kommunistischen Opposition zum Regime im Iran, und es ist nicht übertrieben, ihn als radikalisiert zu beschreiben“. Ein Ashkan Khorasani stand 2009 auf der Liste von Amnesty International als „Arrestierter in Iran“, gefangen gehalten in Kahrizak, einem Teheraner Lagerhauskomplex. Zwischenzeitlich vom obersten religiösen Führer Khamenei aufgelöst, war Kahrizak einer der berüchtigten Folterorte. Man darf davon ausgehen, dass auch Khorasani dort nichts Gutes widerfahren ist und sein positiver Asylbescheid voll gerechtfertigt ist. Nicht ganz verständlich dann allerdings, wie er in einer Erklärung bezüglich der Behandlung von Asylbewerbern in Deutschland dazu kam, von „Folter“, unter denen diese zu leiden hätten, zu sprechen.
Bereits im Herbst 2012 hat er die Aktion „Marsch für die Rechte der Flüchtlinge“ organisiert: „Wir protestieren gegen die Residenzpflicht, Sammelunterkünfte und die deutsche Asylpolitik.“ (Jetzt-Magazin vom 29.10.2012). Es herrscht Meinungs- und Demonstrationsfreiheit – dagegen ist also zunächst nichts einzuwenden. Selber hat er sich aber durch seine Äußerung „Die deutsche Regierung muss erkennen, dass politische Spiele vorüber sind und dass es nur zwei Einbahn-Straßen zu beschreiten gibt: Entweder die Erfüllung der exakten Forderung der hungerstreikenden Asylsuchenden oder Bobby Sands und Holger Meins auf den Straßen Münchens!“ nicht gerade als ein in Sachen Menschenrechte der Gewaltfreiheit Verpflichteter geoutet. Zudem ist es recht unwahrscheinlich, dass Flüchtlinge aus Afghanistan, Iran, Mali, etc. deren Namen – von deren Untaten ganz zu schweigen – auch nur kennen. So nährt es doch den Verdacht, dass die armen Zeltbewohner, neben dem Öffentlichmachen ihrer gewiss nicht angenehmen Lage und dem Eintreten für ihre teilweise vielleicht berechtigten Anliegen als Asylsuchende, ohne es gewahr zu werden auch den sehr eigenen, politischen Zielen des Anführers dienten.
Das Beispiel scheint Schule zu machen: Die Linkspartei, in Gestalt von Stadträtin Barbara Henn, hat bereits eine nächste Aktion geplant und eine Asyl-Kundgebung beantragt. „Die Innenstadt“, so schrieb die SZ, „könnte erneut zum Schauplatz eines Hunger- und Durststreiks von Flüchtlingen werden“. Unsere Stadträtin Barbara Scheuble-Schaefer warf Henn daraufhin vor, sie habe „es indirekt in Kauf genommen, dass Menschen sterben“ (SZ).
Aber auch die Fraktion der Grünen, genauer deren Vorsitzende Margarete Bause, schrieb auf ihrer Webseite: „Eine Lösung auf dem Verhandlungsweg wäre möglich gewesen, die Vermittler kamen allerdings mit leeren Händen und ohne Verhandlungsangebot. Die Flüchtlinge wurden zum wiederholten Male vertröstet, hingehalten und ihre Anliegen nicht ernst genommen.“ Von „zynischen und kaltherzige Reaktionen“ sprach sie. Auch wenn formal auf die Staatsregierung gemünzt: Waren Hans-Jochen Vogel und Alois Glück zynisch und herzlos, als sie sich um eine Lösung ohne Einsatz der Polizei bemühten? Jeder kocht offenbar hier sein politisches Süppchen.
Christian Ude hat sich mit der Maßgabe zur Räumung des Zeltlagers, bevor die ersten Toten zu beklagen waren, klar politisch wie humanitär positioniert und sich der weiteren Instrumentalisierung von Asylsuchenden zu Recht widersetzt. Dass er sich dabei in Gegensatz zum Münchner Koalitionspartner brachte, nimmt er in Kauf: Im Zweifel geht es um die Durchsetzung rechtsstaatlicher Prinzipien unter Wahrung der bei Ausnahmesituationen angezeigten Sensibilität für Menschlichkeit und Einfühlungsvermögen.
Andere haben da erst in den letzten Tagen versucht, nachzuziehen, aber besser spät, als nie.