Unter den Strahlen der die Gewitterfront auflockernden Abendsonne starteten 75 Freunde der SEEHEIMER OBERBAYERN am Sonntag, den 10. Juli 2011 zur Ammerseefahrt. Das Wetter und der See zwischen Ammer und Amper beruhigten sich pünktlich, und Herrschings Dritter Bürgermeister Werner Odemer konnte bei zunehmender Aufklarung die Geschichte des drittgrößten Gewässers Bayerns und seiner Ufer erklären.
Dass diese nun schon zur Tradition gewordenen Schifffahrten inzwischen so viel Anklang finden, dass Wartelisten eingeführt und Absagen dennoch knapp vermieden wurden – davon berichtete eingangs Jürgen Maruhn, Organisator der SEEHEIMER OBERBAYERN-Gesprächskreis Soziale Demokratie.
Grüße des bundesweiten Seeheimer Kreises überbrachte Dr. Carl-Christian Dressel, Stellvertretender Bezirksvorsitzender der SPD Oberfranken. Eine professionelle, präzise Einschätzung der politischen Lage schloss sich an.
Bürgermeister Werner Odemer schilderte Entwicklungen von Ortschaften, Prachtvillen und der schönen Kirchen, allen voran das berühmte Kloster Andechs mit seiner langen und weit reichenden Geschichte. Angesichts dreier Landkreise, die sich das Ammerseeufer teilen, erschien es fast wie ein Wunder, dass es nie zu Grenzstreitigkeiten gekommen war.
Aber vielleicht hatten ja auch die Starnberger um ihren „hochherrschaftlichen“, von königlicher Tragik durchzogenen See mit dem eher urigen Ammersee wenig am Hut. Oder es ist Wilhelm Hoegner, dem „königlich-bayerischen“ Sozialdemokraten, einstigen Ministerpräsidenten und heimatbewussten Familienmenschen (sein Urenkel Ludwig war mit an Bord) zu verdanken, der in die bayerische Verfassung schreiben ließ: „Der Genuss der Naturschönheiten und die Erholung in der freien Natur, insbesondere […] das Befahren der Gewässer […] ist jedermann gestattet.“ Heute sind die Ufer des Sees weitgehend frei von Bau- und anderen Sünde(r)n. Und Werner Odemer gab der Hoffnung Ausdruck, dass dies auch noch die nächsten 14000 Jahre so sein solle. Dann nämlich, so simulierten Wissenschaftler, wird des Ammersees Stündlein schlagen und er gänzlich verlandet sein. Spekulanten aber aufgepasst: Haftung wegen irrtümlichen Prognosen, wie in allen anderen Klimaangelegenheiten auch, sind selbstverständlich ausgeschlossen.
Hauptredner an Bord war Dieter Reiter, Referent für Arbeit und Wirtschaft der Landeshauptstadt München, der in freier Rede seine Politik für München vorstellte.
Die nächsten Bundestagswahlen bereits im Fokus, verwies er auf die Bedeutung deren Ausganges für die bayerische SPD und die Landeshauptstadt. „Unbedingte Glaubwürdig und Kompetenz“ – das müssten die Kriterien bei der Entscheidung über den zukünftigen Kandidaten sein.
Mit Spannung wurden seine Ausführungen zur Münchner Stadtpolitik aufgenommen, die er in acht Thesen fasste: Mit entscheidend für die Prosperität einer Großstadt vom Münchner Format sei ihr Potenzial und dessen Erschließung an ausgebildeten Kräften. München als ausgewiesene Schulstadt habe dies zwar in der Vergangenheit beherzigt, Migration und Demografie machten aber weitere, verstärkte Anstrengungen in der Bildungspolitik notwendig, um diesen essenziellen Faktor dauerhaft zum Vorteil Münchens zur Geltung zu bringen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sicherzustellen sei ein weiteres Kernelement moderner Stadtpolitik.
Jede Frau, jeder Mann solle wählen können, ob sie/er berufstätig sein oder Elternarbeit leisten wolle. „Diese Wahlmöglichkeit muss geschaffen werden und darf nicht an den Rahmenbedingungen, die die Politik setzen kann, scheitern“, so Reiter. Bauen und Wohnen in München sind zu einem kostspieligen, für viele finanziell nicht mehr tragbaren Vorhaben geworden. Wesentlicher Grund sei die zu geringe Wohnungsbautätigkeit, die statt avisierten 7000 derzeit bei zwei- bis dreitausend Einheiten pro Jahr lägen. Es müsse dringend eine Verbreiterung des Mietmarktes herbeigeführt werden. Reiter nannte ein ganzes Bündel notwendiger Maßnahmen, wie z.B. die Überprüfung von Belegungsrechten, Bebauungsdichten, der Grünflächenregelung und ganz allgemein der Planungsprozesse sowie ein verstärkter kommunaler Grundstückskauf. Darüber hinaus müsse die Förderung genossenschaftlichen Wohnens wieder in den Mittelpunkt der SPD-Politik gestellt werden, sagte er unter Beifall der Zuhörer. Es gäbe kein Allheilmittel, aber eine aktiv handelnde, finanziell gut ausgerüstete Stadt hätte bei Bündelung aller Maßnahmen gute Chancen, einer drohenden „de-luxe“-Entwicklung Paroli zu bieten. Hinsichtlich der Verkehrspolitik wies er vor allem auf die zunehmende Problematik von „Verbrennungsmotoren im Innenstadtbereich“ hin. Stärkung des ÖPNV, Erneuerung dessen Fuhrparks und weitere Maßnahmen seien erforderlich. Und an die Adresse der Staatsregierung gewandt sagte er: „Die Olympia-Niederlage darf nicht zu einem Stillstand im weiteren Ausbau der Verkehrsinfrastruktur führen!“ Der Begriff München werde verbunden mit einem blühenden Kulturleben in der Stadt. Generell und besonders in Zeiten zunehmender Verknappung und Verteuerung von Wirkräumen für Kunst und Kultur sei dies aber kein Selbstläufer sondern bedürfe der Hege und Pflege durch die Stadt. Es gälte, entsprechende Struktur in Stadtgebieten zu fördern, dabei z.B. für Künstler Atelierräume zu günstigen Preisen anzubieten und in strukturschwachen Stadtgebieten entsprechende Änderungen zu initiieren. „Dies erscheint mir momentan wichtiger als der Bau eines neuen Konzertsaals“, auch wenn man den Wunsch von Liebhabern klassischer Musik verstehen könne. Wissenschaft in München sei auf hohem Niveau und auch strukturell gut aufgestellt. Nichtsdestotrotz sollte die Stadt aber gemeinsam mit der Wirtschaft Projekte mit den Universitäten ausbauen. Problematisch sei aber eher das Umfeld, in dem Studenten leben und ihren Unterhalt bestreiten müssen. Hier seien neue Maßnahmen – Stichwort bezahlbarer Wohnraum – notwendig. Als bekennender Fußballfan unterstrich Reiter die Förderung des Sports als Teil des sozialen Umfeldes in München. Seine Vorgabe: Deutlich mehr in die Breite!
„Alle bisher angeschnittenen sieben Bereiche und die aufgezeigten Maßnahmen kosten viel Geld!“. München stehe zwar relativ und absolut gesehen gut da, der Schuldenstand habe sich in der letzten Dekade halbiert. Der Kämmerer sei aber weiter auf Sparkurs. Und das sei gut so, um die Stadt fit zu machen für nachhaltige Investitionen in die Zukunft.
Damit diese gute Lage so bleibe sei es aber ganz entscheidend, den Standortvorteil Münchens zu erhalten und auszubauen! „Die Wirtschaft mit ihren Anliegen, Sorgen und ggf. Problemen muss von Seiten der Verwaltung ernst genommen werden, nur eine wirtschaftlich erfolgreiche Stadt kann eine soziale Stadt sein“ betonte Reiter. Indikatoren für erfolgreiche kommunale Wirtschaftspolitik sind die Arbeitslosenquote, der Beschäftigungsstand, das Verhältnis von Produktion und Dienstleistungen, die Struktur von Wirtschaft und Gewerbe und nicht zuletzt die Güte der Beziehungen zwischen Wirtschaft und Kommune. Von einer florierenden Wirtschaft hängen Arbeitsplätze, Bürgerwohlstand und Möglichkeiten zu sozialer Politik unmittelbar ab. Die Pflege des Standortes habe Priorität im Rathaus.
Reiter zeigte sich in seiner Rede als sachlich wägender, aber auch leidenschaftlicher Sozialdemokrat. Der Beifall bewies, dass er Herz und Verstand der Zuhörer getroffen hatte. „In ihm steckt der ebenso drängende wie nachdenkliche Geist des unvergesslichen Waldemar von Knoeringen“, meinte der einstige Stadtrat Rudi Kühnel vom Hasenbergl.
In der aufkommenden Dämmerung nahm die MS UTTING in Sichtweite von Stegen einen Bogen und näherte sich unter Volldampf wieder Herrsching. Werner Odemer verabschiedete die mittlerweile beschwingte Gesellschaft und war sich mit den Anwesenden einig, im nächsten Jahr wieder auf einem oberbayerischen See zusammen zu kommen.
Robert Hagen