Lieber Jürgen,
zu Deinem Jubiläumsgeburtstag möchten wir als Oberbayerische Seeheimer Dir ganz herzlich gratulieren. Du kannst zudem in diesem Jahr 2012 auf ein halbes Jahrhundert kontinuierliches Engagement für die großen Ziele der sozialen Demokratie in der SPD und auch in Jahrzehnten beruflicher Tätigkeit bei der Politischen Akademie Tutzing zurückblicken; auf schwierige Auseinandersetzungen, aber auch auf herausragende Erfolge.
Wir erinnern uns heute an einige Stationen Deines politischen Lebensweges. Du bist im östlichen Teil Deutschlands aufgewachsen und nach Deiner Übersiedelung in die Bundesrepublik stets für die deutsche Einheit eingetreten. In der SPD des Godesberger Programms hast Du Dich frühzeitig engagiert und bist Mitbegründer und erster Vorsitzender des Sozialdemokratischen Hochschulbundes SHB gewesen, der unter den deutschen Studierenden seit 1960 für die SPD geworben hat. Es war die große Ära Willy Brandts, Herbert Wehners, Fritz Erlers und später Helmut Schmidts.
In vorderster Reihe standest Du während der Spiegel-Affäre Ende 1962. Damals gab es zahlreiche Demonstrationen der deutschen Jugend für die Demokratie und den Rechtsstaat und gegen Franz-Josef Strauß in siebzehn Städten während vier Wochen. Die größte Studentendemonstration veranstalteten der SHB und der Liberale Studentenbund in Bonn am 19. November 1962 vor dem Verteidigungsministerium mit mehr als 2.000 Teilnehmern – Du warst dabei führend beteiligt! Am selben Tag stellten zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik sämtliche FDP-Minister aus dem Kabinett Adenauer aus Protest gegen den damaligen Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß ihre Ämter zur Verfügung. Am Tag darauf schrieb der Kölner Stadtanzeiger: „die Bevölkerung ist wach geworden, wie sie es in keinem Augenblick seit 1945 war“. Zum ersten Mal wollte die deutsche Jugend im Sinne von Willy Brandt „Mehr Demokratie wagen“ – das ist heute vielen gar nicht mehr bewusst.
Du hast danach viele Jahrzehnte in der BayernSPD gewirkt – in enger Zusammenarbeit mit Hans-Jochen Vogel – und warst geprägt auch durch den unvergessenen Bildungspolitiker Waldemar von Knoeringen. Politische Bildung wurde Dir, dem Volkswirt und politisch denkenden Menschen, zum Herzensanliegen. Innerhalb der SPD hast Du schon frühzeitig verhängnisvolle linksradikale Tendenzen und naive Kollaborationen mit Vertretern des Kommunismus deutlich bekämpft. Das führte 1977 zu einem Schiedsverfahren gegen Dich mit dem Ziel des Parteiausschlusses. Jedoch endete dieses Verfahren in demselben Jahr, als die bayerische- bzw. Münchner SPD dem erfolgreichen Münchner Oberbürgermeister Georg Kronawitter eine zweite Amtszeit verweigerte, nur mit einer milden Rüge. Das war in der damaligen bayerischen SPD-Landschaft ein erstaunlicher Erfolg!
In den folgenden Jahren hast Du mehr als jeder andere bayerische Sozialdemokrat die Seeheimer in der SPD Münchens und Oberbayerns um Dich versammelt und geprägt. Unter Deiner Führung konnten es die bayerischen Seeheimer 1984 erreichen, dass Georg Kronawitter – nach dem Zwischenspiel von Erich Kiesl als OB von München – mit 58% gegen 42 % erneut gewählt wurde. Dass Kronawitter mit aller Leidenschaft Politik für München machen konnte, war weitgehend Dein Verdienst: Bereits elf Tage nach der für die SPD verlorenen Landtagswahl im Oktober 1978 hast Du in einer Broschüre eine schonungslose Bilanz dazu vorgelegt.
Deine profilierte Stellung als führender Seeheimer hat Dich niemals daran gehindert, praktische Solidarität mit der gesamten SPD einschließlich des linken Parteiflügels zu üben. Die Münchner und Oberbayerischen Seeheimer wünschen, dass Du uns auch insofern ein Vorbild bleibst. Für 2013 setzen wir uns mit Dir mit aller Kraft dafür ein, dass Christian Ude nach Kurt Eisner, Johannes Hoffmann und Wilhelm Hoegner der vierte sozialdemokratische Ministerpräsident in Bayern werden kann. Mit Dir wollen wir dann im Herbst 2013 die Ablösung der CSU als regierende „bayerische Staatspartei“ feiern.
München, im Oktober 2012
Prof. Dr. Peter Landau für die Seeheimer Oberbayern